Es begab sich einst vor langer Zeit… so fangen doch Märchen an, normalerweise. Aber das ist kein Märchen, obwohl, doch, irgendwie schon. Ich habe meinen verstorbenen Mann im Internet kennen gelernt, was damals noch NICHTS mit Tinder und was es da so gibt zu tun hatte. Denn das gab es noch nicht. Das waren die Anfänge des Internet, als nur ganz wenige Leute damit zu tun hatten (er und ich beruflich) und man meist zu hören bekam, das brauche doch kein Mensch, so ein Internet. Tja, so kann man sich irren.
Internet hieß damals auch, dass man ein Modem brauchte und eine Telefonnummer von einem Einwahlknoten, meist einer Mailbox, die möglichst in der Nähe war, damit die Telefongebühren nicht so hoch waren. Von SmartHome und allzeit verfügbar und surfen und Streamingdiensten und… war noch keine Rede. Internet war was für Seltsame. Wozu ist das überhaupt gut? Wie oft wurde mir damals diese Frage gestellt. Das wäre so, als würde jemand heute fragen, wozu ist überhaupt ein Telefon gut, ich brauch zum reden kein Telefon… 😉 Jedenfalls war ich in einem Technischen Support-Forum unterwegs, weil ich ein Problem lösen musste und nicht wusste wie. Also fragte ich andere EDV’ler, wie das damals noch hieß, die Abkürzung IT kannte kein Mensch, denn auch die gab es noch nicht. Die Foren damals waren, verglichen zu heute, sehr simpel und grafisch eher einfach. Es gab Bretter, da konnte man schreiben, was man mit Strg+B machte, B für Brett (im Grunde ein eigenständiger Themenbereich, also für jedes spezielle Thema ein Brett) und es gab persönliche Nachrichten, die man den Forenmitgliedern schreiben konnte mit Strg+P für persönlich.
Ich war Betreiberin einer Frauenmailbox (ja, das gab es tatsächlich mal, Mailboxen, hier ein sehr schöner Bericht über das Leben mit und in solchen Mailboxen) und schrieb über diese meiner besten Freundin nahezu täglich Nachrichten (das Wort eMail war noch nicht so geläufig). Es ging mir Strg+P also leicht von der Hand, quasi automatisch. Und so antwortete ich in dem Brett über spezielle Probleme mit einer speziellen Software auf den Beitrag eines Accom statt mit B mit P. Und schon war es passiert. Das Universum hatte den Kontakt hergestellt und es dauerte noch ein knappes Jahr und dann wohnten wir zusammen 😜 Manchmal ist das so im Leben 😎
Wir teilten nicht nur die Begeisterung für Technik miteinander – beide hatten wir programmieren gelernt – wir liebten auch beide das Weihnachtsfest. Und zwar sehr. So haben wir es jedes Jahr mit Freude zelebriert, ein Highlight war der Weihnachtsbaum, der jedes Jahr feierlich geschmückt wurde. Dafür war ich zuständig, er bereitete indessen die Flugente vor mit handgemachten Klößen. Wir hatten wirklich schöne Weihnachten. Wir freuten uns beide darauf. Wir haben es genossen. Auch als er schon sehr krank war und ich die Flugente selber abholen musste, er konnte es schon nicht mehr, hatten wir ein schönes Weihnachtsfest. Trotz alledem.
Knapp vier Monate vor Heilig Abend ist er gestorben. Und mir stand das erste Weihnachtsfest ohne ihn bevor. Ich wusste, ich schaffe es nicht, einen Baum zu kaufen, ihn zu schmücken, ich schaffe es einfach nicht. Ich würde daran zerbrechen. In meiner Not habe ich ihm geschrieben, ich habe einen Blog für ihn gemacht, hört sich bestimmt schräg an, aber mir hat es wirklich sehr geholfen.
Und dann habe ich gedacht, ich mache alles anders, ich kaufe mir ein künstliches Bäumchen, das werde ich am 1. Advent aufstellen, und das werde ich schmücken und dann kann ich es aushalten. Ich bin nach sehr langem suchen fündig geworden, einen alten DDR-Plastebaum, der fühlt sich an, als seien die „Nadeln“ aus Gummi, ich habe dieses kleine hässliche Teil von Anfang an geliebt, ich fand ihn wunderschön, es war „mein“ Baum, das konnte ich aushalten, und auch wenn alle lachen mussten, die dieses seltsame Ding mit Kugeln und Lichterkette betrachteten, es war mein geliebtes Bäumchen, der mich einige Jahre begleitet hat.
Dieses Jahr fahren wir wieder ins Kloster und feiern dort unser zweites Weihnachtsfest, diesmal wird wieder ein echter Weihnachtsbaum dabei sein, weil auch die Enkelkinder dabei sein werden und zu Kindern gehört einfach ein echter Baum.
Und der kleine hässliche wunderhübsche Plastebaum? Der kriegt hier im Kellerbüro sein Ehrenplätzchen, dann kann ich Blogbeiträge schreiben und ihn betrachten und mich erinnern, was alles gewesen ist, seit er das erste Mal mein Herz wärmte. In einer ganz besonders schweren Zeit.